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Süddeutsche Zeitung, Oktober 1988


Ehrenamtliche Beisitzer rechtswidrig bestellt?


Glögglers Anwälte stellen Gericht in Frage
Überraschung im Prozeß um einen Schadenersatz von 1,3 Milliarden Mark


Von Hannes Krill
München - Johann Nepomuk Glöggler, Augsburgs einst gefeierter, dann gefeuer-ter Konzernchef, war stets ein Mann der Superlative: In den 70er Jahren dirigierte er Deutschlands größten Textilkonzern, galt als schillerndste Unternehmerfigur der Republik und legte 1976 die spektaku-lärste Pleite der Branche hin. Seither kämpft Hans Glöggler, inzwischen 79 Jah-re alt, um die größte Schadensersatzsum-me, die je vor einem deutschen Gericht eingeklagt wurde. Es geht um 1,3 Milliar-den Mark. Auf diesen Betrag hat der gescheiterte Unternehmer den Freistaat Bayern verklagt, weil er glaubt, daß die Staatsregierung seinen in Bedrängnis geratenen Konzern 1976 nicht saniert, son-dern zerschlagen hat. Seit 1983 wird ver-handelt. Doch Glögglers Chancen, den Prozeß zu gewinnen, stehen denkbar schlecht. Juristen und Prozeßbeobachter rechnen damit, daß die 6. Kammer des Münchner Verwaltungsgerichts die Klage am heutigen Mittwoch endgültig abweisen wird. Damit wollen sich Glögglers Anwälte und Berater,jedoch keineswegs abfinden.


Entschlossen, die drohende Niederlage mit allen Mitteln abzuwenden, haben sie das Gericht rechtzeitig vor dem heutigen Verhandlungstag mit einem Schriftsatz konfrontiert, der Konsequenzen nach sich ziehen könnte, die weit über den GlögglerProzeß hinausreichen. Glögglers Münch-ner Rechtsberater Hans Christian Kopf und die beiden Augsburger Rechtsanwälte Wolfgang Hofberger und Robert Glöggler, ein Sohn des Klägers, glauben nachweisen zu können, daß die 310 ehrenamtlichen Richter des Münchner Verwaltungsge-richts rechts- und gesetzwidrig bestellt worden sind. Sollte sich herausstellen, daß dieser Vorwurf zutrifft, so würde dies nicht nur den Glöggler-Prozeß platzen lassen, sondern darüber hinaus die gesamte Münchner Verwaltungsgerichtsbarkeit bis zur Neuwahl der Laienrichter lahmle-gen.
Es wäre nicht das erstemal, daß clevere Anwälte beim Herumstochern im Paragraphendickicht der Gerichtsordnungen Unkorrektheiten bei der Wahl der ehrenamtlichen Richter aufdecken und die Ju-stiz auf diese Weise zwingen, ihre Arbeit


vorübergehend einzustellen. Erst vor einem Jahr war beispielsweise die Augsbur-ger Justiz für einige Wochen zur Untätig-keit verdammt, weil der Bundesgerichts-hof (BGH) in Karlsruhe die Wahl von 98 Schöffen aus forrnalen Gründen für un-gültig erklärt hatte.
Glögglers Anwälte und Berater glauben, daß ihnen dies auch im Schadensersatzprozeß gegen den Freistaat gelingen wird. Die Mängel, Unzulänglichkeiten und Gesetzwidrigkeiten bei der Wahl der 310 ehrenamtlichen Münchner Verwaltungsrichter seien derart gravierend, glaubt Prozeßberater Kopf, daß sie von keinem Richter ignoriert werden könnten. So sei-en zum Beispiel Beamte und Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes auf die Vorschlagslisten geraten, was nach den Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung nicht zulässig sei. Sollte die Besetzungsrüge in der heutigen Verhandlung dennoch abgewiesen werden, so habe man zumindest "einen absoluten Revisions-grund" in der Hand- der Fall Glöggler, so scheint es, wird die Gerichte noch lange beschäftigen.


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