Zurück

Süddeutsche Zeitung, Dez. 1992


Glöggler verliert gegen Freistaat


München (Reuter) - Der mit seinen Firmen in Konkurs
geratene Textilunternehmer Johann Nepomuk Glöggler hat das
größte Verfahren der deutschen Justizgeschichte gegen den
Freistaat Bayern verloren. Der Prozeß wegen einer
Schadensersatzforderung sei vom Bundesverwaltungsgericht in Berlin
zuungunsten Glögglers, der vom Freistaat rund 1,2 Milliarden
Mark Schadensersatz gefordert hatte, rechtskräftig abgeschlossen
worden, teilte Bayerns Wirtschaftsministerium mit. Das Gericht wies
Glögglers Beschwerde gegen die Nicht-Zulassung der Revision
durch den BVG zurück.


München - Seit sieben Jahren kämpft Johann Nepomuk Glöggler, Deutschlands einst mächtigster Textilunternehmer, vor Gericht um seine gesellschaftliche und berufliche Rehabilitation. Doch seit gestern ist der inzwischen 79jährige ehemalige Augsburger Firmenpatriarch um eine Hoffnung ärmer. Das Münchner Verwaltungsgericht wies am Aschermittwoch eine Klage Glögglers ab, mit der der gescheiterte Unternehmer vom Freistaat Bayern und von der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) 1,3 Milliarden Mark Schadensersatz erstreiten wollte, die größte Summe, die je vor einem deutschen Gericht eingeklagt werden sollte. Glöggler will in die Berufung gehen und das Urteil vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) anfechten.


Glöggler, der sich 1976 nach dem spektakulären Zusammenbruch seines Textilimperiums für zehn Jahre ins Ausland abgesetzt hatte, um der drohenden Verhaftung zu entgehen, hat den Freistaat und die LfA nach seiner Rückkehr verklagt, weil er glaubt, daß die Staatsregierung seine in Bedrängnis geratene Firmengruppe 1976 nicht saniert, sondern ohne Not zerschlagen hat. "Nicht dafür ausgebildete und überforderte Spitzenbeamte des Wirtschaftsministeriums", so heißt es in der Klage, hätten damals ohne rechtliche Grundlage die Geschäfte der Firmengruppe übernommen und den im Kern gesunden, aber mit kurzfristigen Liquiditätsproblemen kämpfenden Konzern durch "eine einzige Anhäufung von Kunstfehlern" und mit schier unglaublichem Dilettantismus "wirtschaftlich zerschlagen".


"Enteignet und vertrieben"


Ihn selbst, behauptet Glöggler, habe die Staatsregierung vor 14 Jahren im Zusammenwirken mit den Gläubigerbanken auf kaltem Wege "entmachtet, enteignet, kriminalisiert und vertrieben" und das Millionenvermögen der Firmengruppe weit unter Wert verschleudert. Doch vor dem Münchner Verwaltungsgericht setzte sich Glöggler mit diesen Vorwürfen nicht durch. Die Richter der 6. Kammer wiesen die Klage vor allem deshalb ab, weil sie zur Ansicht gelangten, daß Glögglers Ansprüche zum Teil verjährt sind, zum Teil vor dem falschen Gericht geltend gemacht wurden.


Um sich zu dieser vergleichsweise simplen Begründung durchzuringen, hat die Kammer mehr als fünf Jahre gebraucht, in dieser Zeit zwei Vorsitzende Richter "verschlissen" und Berge von Prozeßakten produziert. Die 6. Kammer unter Vorsitz von Erwin Pongratz, dem Vizepräsidenten des Münchner Verwaltungsgerichts, begründete die Abweisung der Klage mit der dreijährigen Verjährungsfrist, die schon bei der Klageerhebung Ende 1983 verstrichen gewesen sei. Glöggler habe am Zusammenbruch seiner Firmengruppe teilgehabt und alle Tatsachen gekannt, mit denen eine Schadensersatzklage hätte begründet werden können. "Dazu genügt das Wissen um den Tathergang im großen und ganzen", sagte Pongratz. "Gewißheit über den Umfang des Schadens muß nicht gegeben sein." Landesanwalt Heinz Schreiber, der die Abweisung der Klage beantragt hatte, sagte, ihn erinnere das Verfahren an einen "hübschen Luftballon, aus dem die Luft raus ist. Übrig bleibt dann nur die Substanz, und die ist ein klägliches Häufchen".


Für Glöggler und seine Anwälte zeigt die Begründung, mit der die Klage jetzt abgewiesen wurde, daß sich die Richter mit den Vorwürfen "schlicht und einfach nicht befassen" wollten und nicht bereit gewesen seien, den Sachverhalt zu erforschen. Das Urteil sei ein weiterer Beleg für die Strategie von Staatsregierung und Justiz, die gravierenden Fehler und Versäumnisse zu kaschieren, die ihnen bei der Bewertung und Bewältigung der Glöggler-Affäre unterlaufen seien.


15 Monate in Haft


In einer persönlichen Erklärung, die der ehemalige Konzernchef nach der Urteilsverkündung an Journalisten verteilen ließ, beklagte sich Glöggler erneut über das Leid, das ihm und seiner Familie nach dem Zusammenbruch des Konzerns angeblich zugefügt worden ist: Sein Sohn Axel Glöggler, der ehemalige Finanzchef des Konzerns, sei vor zehn Jahren für 15 Monate unschuldig in Untersuchungshaft gesessen, bis das gegen ihn in Gang gesetzte Strafverfahren schließlich nach 120 Verhandlungstagen geplatzt und eingestellt worden sei. Gegen ihn selbst, Hans Glöggler, sei ein Haftbefehl erwirkt worden, der ihn gezwungen habe, für zehn Jahre das Land zu verlassen und solange darauf zu verzichten, seine Ansprüche geltend zu machen. Nach seiner Rückkehr von der Flucht habe die Justiz die Zulassung der Schadensersatzklage verschleppt und die Beweissicherung verzögert. Die Staatsregierung habe ihm und seinen Anwälten mit Billigung der Gerichte die Einsicht in wichtige Akten verweigert. Zuletzt habe das Verwaltungsgericht dann auch noch in einem Zuge rund 130 Beweisanträge vom Tisch gewischt.
Der Ablauf der Geschehnisse "zeigt deutlich", beklagt sich Glöggler, "mit welchen Machtmechanismen hier seit 1975 seitens des Freistaates, der LfA und der bayerischen Justiz nachhaltig der Versuch unternommen wird, den Kläger daran zu hindern, seine Rechte durchzusetzen." Doch Glöggler will nicht aufgeben. Zunächst will er die Klage vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) bringen. Sollte er auch dort scheitern, will er mit seiner Klage vor das Bundesverwaltungsgericht in Berlin ziehen. Glöggler, der nach eigenem Bekunden heute "arm wie eine Kirchenmaus" ist, und seine Berater sind zuversichtlich, dort endlich recht zu bekommen: "In Berlin", frohlockt Glögglers Berater Hans-Christian Kopf, "sind bayerische Richter in der Minderheit".


Zurück