Süddeutsche Zeitung, Dez.1992
Wegen "unsachgemäßer" Konzernsanierung
Glöggler will Schadenersatz von 220 Millionen Mark
Landesanstalt für Aufbaufinanzierung soll zahlen
MÜNCHEN (SZ) - Eigentlich sollte die vom ehemaligen Augsburger Textil-Konzernchef Johann Nepomuk Glöggler vor der sechsten Kammer des Verwaltungsgerichts München initiierte Verhandlung am Mittwoch eine Routinesitzung werden - die Fortsetzung des Mitte 1986 unterbrochenen Verfahrens gegen den Freistaat Bayern wegen Schadenersatz. Doch Glögglers Rechtsanwalt Hans Christian Kopf ließ gleich zu Beginn der Verhandlung eine Bombe platzen: Die Klage wurde auf die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) erweitert und ein Schadenersatzanspruch von 220 Millionen Mark angemeldet. Dabei bedient sich Kopf im wesentlichen der Argumente, die er bereits gegen den Freistaat vorgetragen hatte. Nicht Ex-Konzernchef Glöggler, sondern eine "unsachgemäße Sanierung" auf Betreiben des bayerischen Wirtschaftsministeriums seien am Zusammenbruch des einstigen Textilimperiums mit mehr als 12 000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Mark schuld.
Doch die 6. Kammer entschied, die neue Klage vom laufenden Verfahren abzutrennen, um der Landesanstalt für Aufbauwirtschaft die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Abgelehnt wurden ferner alle 83 Beweisanträge - darunter auch den, Wirtschaftsminister Anton Jaumann als Zeugen zu hören - der Rechtsanwälte Kopf und Robert Glöckler mit der Begründung, daß die Klage gegen den Freistaat bereits entscheidungsreif und ablehnungsreif sei. Kopf kritisierte diese pauschale Ablehnung der Anträge als unzureichend. Er stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Holger Werner und einen der beiden Beisitzer, als auf seine Forderung, einen der ehrenamtlichen Richter zu fragen, ob er über den Inhalt der schriftlich gestellten Beweisanträge Bescheid wisse, die Kammer über die Zulässigkeit dieser Frage beraten wollte. Der Befangenheitsantrag wurde jedoch abgelehnt.
"Mit Druck gearbeitet"
Daß die LfA wesentlich am Niedergang des Konzerns beteiligt sei, folgert Kopf aus Unterlagen, die eine Teilnahme der Landesanstalt bereits nach den ersten Sondierungsgesprächen im Dezember 1975 belegen. Als Beweis legte Kopf Fernschreiben Jaumanns an die Schweizer Migros Bank sowie Briefe der LfA und eine Erklärung des Schweizer Kreditinstituts von Anfang 1976 vor, aus denen Details des Sanierungskonzepts hervorgehen. Glöggler und sein Anwalt behaupten, daß "das, was die LfA ,Sanierung' beziehungsweise ,Sanierungskonzept' nannte, jedoch nichts anderes war als eine Besserstellung bestimmter Gläubiger und eine Benachteiligung anderer Gläubiger". Denn nach diesem Konzept sollten die "ERBA-Aktiengesellschaft für Textilindustrie, hrlangen" und die "Augsburger Kammgarn-Spinnerei" (AKS) erhalten bleiben, die "Hanfwerke Füssenlmmenstadt" (HFI) und die "Mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei Augsburg" (SWA) aber in Konkurs gehen. An der "Val. Mehler Aktiengesellschaft, Fulda" hätten die Sanierer kein Interesse gezeigt.
Ferner wirft Kopf der Staatsregierung und der LfA vor, daß das Holzmannn-Aktienpaket - an der Baufirma war Glöggler zu 30 Prozent beteiligt, die Aktien wurden auf Kredit gekauft - mit einem (laut Gutachten der fünftgrößten US-Bank
Chemical Bank") Wert von 300 Millionen Mark nicht richtig bewertet wurde. "So hätte sich ein Vergleichsverwalter oder ein Konkursverwalter nicht verhalten, der nach der Vergleichsordnung oder nach der Konkursordnung durch das Amtsgericht hätte eingesetzt werden müssen", folgert Kopf. Zudem habe sich so noch nie ein Staat verhalten, auch nicht Bayern. Die Sanierung der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg belege deutlich, daß auch sachlich operiert und mit fachkundigen Spezialisten versucht werde, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Im Falle des Glöggler-Konzerns sei jedoch mit Druck gearbeitet worden.
Als "einzig sachgerechte Lösung", den sich Ende 1975 abzeichnenden Liquiditätsengpaß des Konzerns in Höhe von zunächst 20 Millionen und später 40 Millionen Mark zu bewältigen, bezeichnete Kopf die Möglichkeit, den Versuch zu unternehmen, das Holzmann-Aktienpaket zu übernehmen und den sogenannten Paketzuschlag zu realisieren, was im Regelfall eine um zehn Prozent höhere Bewertung eines Aktienpakets bringt. Aus der Tatsache, daß dies nicht erfolgt ist leitet Kopf auch den Schadenersatzanspruch seines Mandanten ab: Laut Gutachten der US-Chemical Bank war das Holzmann-Unternehmen 1975 eine Milliarde Mark wert, folglich bedeuteten die Aktienanteile Glöggler ein Vermögen von 300 Millionen Mark. Beim Abstoßen des Pakets durch die "Sanierer" seien jedoch nur 80 Millionen Mark erzielt worden; die Differenz von 220 Millionen Mark klage Glöggler jetzt ein. i
Vorwürfe gegen Jaumann
In dem Verfahren stellt sich für Kopf auch die grundsätzliche Frage, ob sich ein Staat überhaupt wie in der beim Glöggler-Konzern erfolgten Weise als Sanierer betätigen darf. In diesem Zusammenhang werden auch Vorwürfe gegen Wirtschaftsminister Anton Jaumann erhoben. Nachdem sich sein Mandant geweigert habe, Jaumanns Sanierungskonzept zu akzeptieren, habe der Minister die Betriebsräte der Glöggler Firmen und den damaligen Vorsitzenden der Gewerkschaft für Bekleidung und Textil, Karl Buschmann, Ende Januar 1976 zu sich ins Ministerium gerufen. ;
"Bei diesem Gespräch hat Herr Staatsminister Jaumann - um den Widerstand des Klägers zu brechen - angeregt, am 24. Januar 1976 einen Gewaltaufmarsch der Betriebsangehörigen vor der Türe Glögglers in Füssen zu veranstalten und notfalls die beiden Villen des Klägers in Hopfen am See zu zerstören", schreibt Kopf in seiner Klageschrift. Die Organisation sei ausschließlich durch die Gewerkschaft erfolgt, doch ohne den "Befehl von oben" wären die Betriebsräte niemals auf die Idee gekommen, zu demonstrieren. Der Gewaltmarsch habe schließlich dazu geführt, daß Glöggler die Bedingungen des Wirtschafts
ministers angenommen habe. Bernd Iblacker
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