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Augsburger Allgemeine, 20.10.1988


Glöggler-Prozeß nach zwei Jahren geplatzt Richter lehnen sich ab - Neues Verfahren offen


A u g s b u r g (-au-). Der Prozeß um einen der größten bundesdeutsellen Firmenzusammenbrüche der Nachkriegszeit, den Konkurs des ehemals eine Milliarde Mark Jahresumsatz starken Glögglersellen Textil-Imperiums, ist geplatzt. Nach kapp zweijähriger Verhandlungsdauer haben die drei Berufsrichter der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Augsburg gegen sich selbst einen Ablehnungsantrag gestellt, der von ihren Vertretern im Amt angenommen worden ist. Ursache für die Selbstablehnung waren, wie das Justizministerium in München mitteilte, Vorwürfe einer Schöffin über die Verfahrensweise. Unter Hinweis auf das Beratungsgeheimnis lehnte die Justiz nähere Angaben ab. Die jüngste En:ntwicklung hat zur Folge, daß das Verfahren, das bisher rund eine Million Mark kostete, mit anderen Richtern völlig neu aufgerollt werden muß. Wann dies der Fall sein wird, ist noch unklar. (S. Kommentar S. 2 und Bayern.)


Die Schöffin hatte ihre Vorwürfe offenbar; zu Beginn der vorigen Woche erhoben. Bereits am Dienstag hatte eine Art Krisenkonferenz nach Justizdienstsehluß im Augsburger Gerichtsgebäude Aufsehen erregt. Am Mittwoch hatte dann die Strafkammer die Prozeßbeteiligten eineinhalb Stunden vergeblich auf den Beginn des 121. Verhandlungstags warten lassen und sich dann durch einen Beamten wegen .,Verhinderung aus persönlichen Gründen" für diesen Tag entschuldigen lassen,
Grundsätzlich hat die Justiz erklärt, die Berufsrichter hielten die Vorwürfe der Schöffin für unbegründet. Sie seien aber geeignet, aus der Sicht des Angeklagten Mißtrauen gegen die Unvoreingenommenheit seiner Richter zu rechtfertigen. Wie verlautet, geht es bei den Vorwürfen angeblich um die die Behandlung der 35 seitigen Memoiren des flüchtigen Ex-Konzernherrn Hans Glöggler (71) im Zuge des Verfahrens gegen seinen Sohn Dr. Axel Glöggler; ~~* Dem 38 jährigen werden im Vorfeld des G'öggler-Zusammenbruchs Anfang 1976 Betrug, Untreue und Verstöße gegen das Aktienrecht vorgeworfen. Durch den Zusammenbruch des Textilkonzerns waren 12 000 Arbeitsplätze gefährdet worden.
Der angeklagte Diplomkaufmann war am Wochenende nicht zu erreichen. Sein Frankfurter Verteidiger Dr. Bernd Braun bedauerte, daß "der Prozeß nicht durch einen Freispruch beendet" worden sei. Der Anwalt hält es "nicht für statthaft", das Verfahren zu wiederholen. Die Menschenrechzskonvention verbiete es seiner Meinung nach, den Angeklagten zum zweitenmal mit einem solchen Mammutverfahren zu belasten, nachdem das erste aus Gründen gescheitert sei, die nur die Justiz zu vertreten habe. Dr. Glöggler war in dieser Sache bereits 15 Monate in Untersuchungshaft genommen worden.


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